Artikel vom 02.06.2008




Im Hörsaal des Umweltbundesamtes wird heute in Dessau-Roßlau der 1. Wasser- und Abwassertag von Sachsen-Anhalt und Brandenburg durchgeführt. Eingeladen haben die Städte- und Gemeindenbünde von Sachsen-Anhalt und Brandenburg sowie die "enviaAqua" GmbH.

In 5 Fachvorträgen soll vor allem die Problematik des demografischen Wandels problematisiert werden. Bundesweit sei bis 2050 mit einem Bevölkerungsrückgang auf 74 Millionen Einwohner zu rechnen. Das entspreche einem jährlichen Verlust von 230 000 Einwohnern, also einer Großstadt wie Halle. Der Trinkwasserverbrauch werde damit im Jahr 2050 um 600 Millionen Kubikmeter niedriger sein als derzeit. Dieser Rückgang sei mit dem derzeitigen Verbrauch aller neuen Länder einschließlich Berlins gleichzusetzen, machte Michael List, der Geschäftsführer der enviaAqua GmbH die Dimension deutlich. Hinzu komme, dass seit 1991 ist der tägliche Pro-Kopf-Verbrauch in Sachsen-Anhalt um 43 Prozent auf gut 90 Liter gesunken sei. Es müssten "neue Strukturen und Strategien entwickelt" werden.

Ob die Referenten für den Abwassersektor dafür plädieren werden, endlich stärker auf die sehr viel flexibleren dezentralen Systeme umszustellen und auch die Förderpolitik des Landes hierauf auszurichten, wissen wir nicht. Offen wird ja bereits über die Notwendigkeit eines "Rückbaus" überdimensionierter Anlagen nachgedacht. Die Kosten hierfür wird man erneut den Bürgern in Rechnung stellen. Zu befürchten ist, dass die unzweifelhaft bestehende Problematik von bestimmten Interessengruppen genutzt wird, um die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen als Allheilmittel anzupreisen. Seitens der EU wird insofern ohnehin seit Langem zusätzlicher Druck aufgebaut. In diesem Zusammenhang erklärte kürzlich die Vorsitzende des Finanzausschusses des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Iris Schülzke:
„Die Dienstleistungen der Daseinsvorsorge wie der Wasserversorgung, der Abwasserbeseitigung oder der Hausmüllentsorgung haben eine überragende Bedeutung für die Gesellschaft. Diese Dienstleistungen werden von den Kommunen im Interesse der Bürger erbracht. Die Politik der EU-Kommission darf nicht dazu führen, dass eine flächendeckende und kostengünstige Wahrnehmung dieser Aufgaben verhindert wird!“

Deshalb wandte sich Schülzke gegen eine Ausweitung des europäischen Wettbewerbsrechts auf weite Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge, die im klaren Widerspruch zum Europäischen Reformvertrag und der damit vorgenommenen Stärkung der kommunalen Gestaltungsfreiheit stehe.

Die Vorsitzende machte deutlich, dass die europäischen Wettbewerbs- und Binnenmarktregelungen die bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen berücksichtigen müssen. Organisationsentscheidungen der Kommunen, die zu effizienteren und kostengünstigeren Strukturen im Interesse der Bürger führen, dürften nicht durch eine zu extensive Auslegung des Vergaberechts behindert werden. Insbesondere dürfe es keinen faktischen Zwang zur Privatisierung infolge überzogener Ausschreibungspflichten geben."

Wolf-Rüdiger Beck

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