Artikel vom 03.06.2008




Das Rechtsverständnis unserer obersten Verwaltungsrichter lässt bisweilen aufhorchen. So hatte das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt im Jahre 2002 darüber zu entscheiden, ob die Änderung des Kommunalabgabengesetzes von 1999 auf alle Fälle dann greift, wenn eine Ausbaumaßnahme nach dem Stichtag 21.04.1999 geendet hatte. Denn zu diesem Zeitpunkt trat eine Regelung in Kraft, wonach der Gesetzgeber klarstellte, dass schon vor der Eintscheidung über eine Straßenausbaumaßnahme eine Ausbaubeitragsatzung vorliegen muss. Damit unterband der Gesetzgeber eine jahrelang fragwürdige Auslegung des KAG durch das OVG Sachsen-Anhalt mit einem Machtwort. Nun musste das OVG also klären, für welche Fälle diese Änderung definitiv in Kraft tritt. Im Ergebnis entschied es sich, wie nicht anders zu erwarten, für eine extrem restriktive Lösung. Danach gilt die Änderung nicht für alle die Fälle, in welchen VOR dem 22.04.1999 mit dem Ausbau begonnen wurde und zwar selbst dann nicht, wenn die Arbeiten nach dem Stichtag enden. Eine andere Auslegung hielt das Gericht zwar durchaus für diskutabel, befand dann aber u.a. , dass dann die Bürger, welche geklagt hätten, doch sonst einen besonderen Vorteil gegenüber jenen hätten, die sich brav in ihr Schicksal gefügt hätten. Es lohnt sich, die Passagen aus dem Urteil in diesem Punkt im Wortlaut wiederzugeben:

OVG Sachsen-Anhalt Urteil vom 17.10.02 - 2 L 121/01 –

"Das Interesse des Gesetzgebers, einer Gruppe von Grundstückseigentümern, die sich bislang einer Zahlung von Straßenbaubeiträgen für die Vergangenheit widersetzt hatten, einen wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen, den sie nicht entgelten müssen, tritt gegenüber dem Vertrauen der Gemeinden auf den Bestand ihres verfassungsrechtlich geschützten Beitragserhebungsrechts zurück…
....
Es widerspricht auch entschieden dem Gerechtigkeitsgedanken, den Umstand, dass in einigen Fällen vor den Verwaltungsgerichten gegen Beitragsbescheide geklagt wird, zum Anlass für eine Sonderregelung zu nehmen, die vernachlässigt, dass die weit überwiegende Zahl von Bürger( inne)n in der Vergangenheit die ihnen entstandenen Vorteile abgegolten haben; dies gilt um so mehr, als nicht beabsichtigt war, diesem Personenkreis die gezahlten Beiträge rückzuerstatten."

Im Klartext: Wer klagt, kann schon deshalb nicht Recht bekommen, weil er sich aus der Masse der (offenbar erwünscht) duldsamen Betroffenen abhebt. Das wäre genauso, als wenn ein Arzt die Behandlung ablehnt mit dem Hinweis: "Die anderen, welche bei gleichen Beschwerden zu Hause bleiben, sind ja auch nicht so wehleidig wie Sie."

Mutiges Einstehen für das eigene Rechtsempfinden soll demnach möglichst nicht honoriert werden. Der Idealbürger besinnt sich auf sein "Unterworfensein" und schweigt still. Schöne neue (Rechts)-Welt!

Wolf-Rüdiger Beck