Artikel vom 19.03.2009




"Wir haben in der Gebührenkalkulation in erheblichem Maße Kosten festgestellt, die nicht gebührenfähig sind", lautet der Kernsatz des Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts Magdeburg Uwe Haack. Unter seinem Vorsitz hatte die in Gebührenangelegenheiten zuständige Kammer gestern die gesamte Kalkulationsperiode von 2007 bis 2008 für fehlerhaft befunden und die darauf basierende Satzung für nichtig erklärt.
In der ganztägigen Verhandlung wurde die Gesamtproblematik der Gebührenkalkulation sehr umfangreich und bis ins Detail besprochen. Das Gericht wies am Rande darauf hin, dass man dabei bis an die Grenzen des eigenen Sachverstandes gestossen sei, so kompliziert seien die Zusammenhänge. Klar geworden sei aber, dass die Kalkulation erhebliche Kostenpositionen enthalte, die schlicht nicht gebührenfähig seien. So sei ein Fehlbetrag aus dem Zeitraum 2001 bis 2003 in die übernächsten Kalkulationsperiode eingestellt worden, was nach dem Kommunalabgabengesetz unzulässig sei. Die Abgrenzung zwischen den Niederschlagswasserkosten und den durch das Schmutzwasser verursachten Kosten sei nicht ordnungegemäß erfolgt und es sei in der Vergangenheit versäumt worden, Kostenbeiteiligungen aus Straßenausbaumaßnahmen zu realisieren. Derartige Versäumnisse könnten aber nicht zu Lasten der Bürger gehen.

Das Gericht kritisierte die Kommunalaufsicht des Landes, der erhebliche Versäumnisse anzulasten seien. Die Kommunalaufsicht hatte im Jahre 2007 im Wege der Ersatzvornahme die überhöhten Gebühren von 6,16 €/m³ Abwasser durchgesetzt.

Die jahrelangen Aktivitäten und akribischen Recherchen des Vereins "Bezahlbares Abwasser" um den Vorsitzenden Dr. Bernhard Pech haben zu diesem Zwischenerfolg geführt. Das Land, die Kommunalaufsicht und der Abwasserzweckverband sind blamiert. Erneut zeigt sich, dass es mit der in Aussicht gestellten Sachkompetenz grösserer Verbände nicht weit her ist. Diese sind mit der Erstellung belastbarer Kalkulationen nicht selten überfordert, deren Fehler - erstaunlicherweise - in schöner Regelmässigkeit fast immer zu Lasten der Bürger gehen. Ärgerlich ist, dass es immer des enormen Einsatzes einzelner, engagierter Bürger bedarf, um die Mißstände aufzudecken und dass die eigentlichen Gremien oder die Kommunalaufsicht nicht willens oder in der Lage sind, die Problemfelder rechtzeitig aufzuzeigen.
Auch vor Gericht sind die Bürger dann ohne Chance, wenn sie nicht in der Lage sind, haarklein die Fehlerhaftigkeit einer Gebührensatzung aufzulisten. Der Amtsermittlungsgrundsatz ist hier längst Makulatur geworden. Gerichte prüfen nur, was ihnen präsentiert wird. DAs Problem dabei ist aber, dass das "Herrschaftswissen" allein auf Seiten der Verbände ist und es für die Bürgerinitiativen oft ein mühseliges Unterfangen ist, an die notwendigen Daten und Informationen zu gelangen. Mühselig, da sie ja - anders als die Verbände - weder über "kaufmännische Abteilungen" verfügen, noch aussenstehende "Dienstleister" zur Zuarbeit heranziehen können, wie dies die Verbände in solchen Verfahren auf Kosten der Gebühren- und Beitragszahler regelmässig tun. Die Verbände lassen sich zunächst ihre eigene Rechtsverteidigung vom Bürger bezahlen, eine Ungleichgewichtigkeit, die offenbar gewollt ist und dafür sorgt, dass Bürger von vornherein entmutigt darauf verzichten, ihre Rechte geltend zu machen.

Auch im vorliegenden Fall hat das Gericht im vorangegangenen Eilverfahren dem Verband noch Recht gegeben und dabei - eingestandenermaßen - wesentliche Gesichtspunkte schlicht übersehen, wie die Hereinnahme eines Fehlbetragses aus längst zurückliegenden Kalkulationsperioden.

Der AZV Bodeniederung ist kein Einzelfall. Auch andere Verbände mussten Beitrags- oder Gebührenkalkulationen berichtigen, nachdem Bürger gegen den Widerstand der eigentlich zuständigen Organe teilweise groteske Fehler in den Berechnungen aufgedeckt hatten. Erinnert sei an den Verband Hasselbach-Thierbach (Gebühren), AZV Salza (Hausanschlußkosten) und andere. Weitere Verfahren sind landesweit anhängig.
Das Land scheint hier wenig Handlungsbedarf zu sehen. Als ob die Bürger nicht ohnehin durch eine verfehlte Politik der Zentralisierung mit immensen Kosten belastet wären (mit verheerenden Aussichten für die Zukunft), müssen sie nun noch damit rechnen, dass Verbände in ihren Kalkulationen nicht einmal elementare Rechtsgrundsätze beachten, sondern hier weitere Belastungsfaktoren über das eigentlich noch zulässige Maß hinaus "einbauen". Kontrolle ist angesagt. Es kann nicht sein, dass es davon abhängt, ob in einem Verbandsgebiet einzelen Bürger in wochenlanger Kleinarbeit unter Inkaufnahme erheblichster Widerstände das Material zusammentragen und analysieren. Das Land ist gefordert, die Kalkulationen der Verbände einer Tiefenprüfung zu unterziehen, nicht nur, aber vor allem dort, wo die Belastungen der Bürger auffällig über dem Durchschnitt liegen. Grotesk ist es aber, wenn - wie im vorliegenden Fall - es gerade die Kommunalaufsicht ist, die im Wege der Ersatzvornahme den jetzt als rechtswidrig erkannten Gebührensatz gegen den Willen der Verbandsversammlung festgelegt hat. Erklärungen sind hier nun gefragt und Konsequenzen müssen gezogen werden.

Unverständlich ist auch, warum Verbände und Aufsichtsbehörden fast nie bereit sind, mit den Bürgerinitiativen vor Ort konstruktiv zusammenzuarbeiten und sich deren Argumente schon im vorfeld von Rechtsstreitigkeiten unvoreingenommen anzuhören. Deren Sachverstand und Engagement wird in leichtfertiger Weise nicht genutzt,sondern es wird versucht abzuwiegeln und die "Aufmüpfigen" müde zu machen durch das Einlassen auf langwierige Rechtsstreitigkeiten. Kritische Bürger sind nicht gefragt, sondern werden als lästig empfunden, anstatt deren Interesse als Chance zu begreifen. wenn schon die ehrenamtlichen Mitglieder in den Verbandsversammlungen nicht in der Lage sind, sich in komplizierte Berechnungen einzuarbeiten, so sollten sie doch auf diejenigen hören, welche durch sachlich fundierte Überlegungen auf Mißstände und Fehlerpotentiale hinweisen. Leider ist die Bereitschaft dazu in den seltensten Fällen vorhanden (jüngstes Beispiel: Nacherhebungen in Großörner im Verband Mansfeld-Schlenze). Es wäre ein Erfolg, wenn das mutige Urteil des VG Magdeburg dazu beitragen könnte, dass in den Verbandsetagen und in den Fluren der Aufsichtsbehörden ein Umdenken stattfinden würde.



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